Warum Winter kein Jahresendrennen ist – und wie du diese Zeit für echte Selbstklärung nutzen kannst
Der Dezember ist eine besondere Zeit. Außen leuchtet alles, innen wird es ruhiger. Während überall Tempo entsteht – Termine, Erwartungen, Abschlüsse, „noch schnell“ – entsteht gleichzeitig ein Bedürfnis nach Rückzug, nach Sortierung, nach innerer Klarheit. Dieser Widerspruch ist kein persönliches Empfinden, sondern ein Kern dieser Jahreszeit: Winter steht in der Natur für Verlangsamung, Verdichtung und Vorbereitung. Und genau dieses Spannungsfeld spüren viele Frauen besonders deutlich.
Es liegt nicht daran, dass der Dezember „zu viel“ ist. Sondern daran, dass unsere gesellschaftlichen Rhythmen nicht dem entsprechen, was unser System in dieser Jahresphase eigentlich braucht. Wir sollen abschließen, planen, organisieren, reflektieren und gleichzeitig präsent sein – im Job, in der Familie, in Beziehungen. Während unser Körper und unser Nervensystem eher nach Ruhe verlangen. Dieses Auseinanderdriften zwischen äußeren Erwartungen und inneren Bedürfnissen erzeugt das Gefühl, sich neu sortieren zu müssen, ohne genau zu wissen, wie.
Für Frauen in Übergangsphasen – beruflich, familiär, persönlich – verstärkt sich diese Diskrepanz oft. Der Dezember hält einen Spiegel vor: Was von diesem Jahr fühlt sich stimmig an? Was nicht? Welche Verantwortung trage ich selbstverständlich weiter, obwohl sie schwer geworden ist? Welche Wünsche melden sich zurück, wenn alles leiser wird? Und welche Entscheidungen verdienen eigentlich erst mehr Licht, mehr Zeit, mehr Atem?
Es sind Fragen, die nicht im Stress beantwortet werden können. Winter ist nicht die Zeit für große Entschlüsse. Winter ist die Zeit, in der Entscheidungen reifen dürfen – unaufgeregt, still, von innen heraus. Selbstklärung entsteht selten in Momenten voller Termine und To-dos. Sie entsteht dort, wo wir uns erlauben, die Perspektive zu wechseln: weg vom Rennen, hin zum Spüren.
Dabei wirkt auch hier ein gesellschaftlicher Aspekt. Frauen haben oft gelernt, „durchzuziehen“, präsent zu sein, Erwartungen zu erfüllen. Rückzug wird schnell mit Schwäche verwechselt, Pausen mit mangelnder Belastbarkeit. Dabei sind Pausen zutiefst funktional. Sie geben Raum für Integration. Sie zeigen, was wirklich wichtig ist. Sie markieren den Punkt, an dem wir beginnen, uns selbst wieder zuzuhören.
Selbstklärung bedeutet nicht, alles zu wissen. Sie bedeutet, Prioritäten zu fühlen. Und genau das ist die Einladung dieser Jahreszeit.
Mini-Übung: Was darf in dir zur Ruhe kommen, bevor etwas Neues entstehen kann?
Nimm dir einige Minuten und beantworte drei Fragen – ohne Druck, ohne Bewertung:
Was aus diesem Jahr möchte ich innerlich abschließen?
Was fühlt sich unentschieden an und darf noch liegen bleiben?
Was braucht Raum, damit ich im neuen Jahr klarer starten kann?
Lass die Antworten kommen, ohne sie sofort einzuordnen.
Winter ist die Zeit zwischen den Jahren, aber auch die Zeit zwischen zwei inneren Zuständen. Man muss nicht wissen, was kommt, um zu spüren, was bleibt.
Winter lädt uns ein, die Geschwindigkeit zu reduzieren, die Perspektive zu sortieren und innere Räume wiederzufinden. Es geht nicht darum, effizienter zu werden oder alles „fertig“ zu bekommen. Es geht darum, zu akzeptieren, dass Klarheit Zeit braucht – und dass dieser Teil des Jahres genau dafür gemacht ist. Frauen, die in Veränderungsprozessen stehen, profitieren besonders von dieser Haltung: Selbstklärung entsteht nicht durch Druck, sondern durch Präsenz. Nicht durch Beschleunigung, sondern durch das bewusste Innehalten.
Wer schreibt hier?
Ich bin Julia Lenders – Coach für Frauen in beruflichen und persönlichen Umbruchphasen. In meiner Arbeit verbinde ich Klarheit, Selbstführung und eine feministische Perspektive auf Vereinbarkeit und Rollenbilder. Ich unterstütze Frauen dabei, Entscheidungen stimmig zu treffen, mentale Last zu reduzieren und ihren eigenen Weg selbstbestimmt zu gestalten.